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AR Talk

23.2.2023 AR Talk mit Marcus Steinweg

Contrapunkt
17. Mai 2023

Am 17. November 2022 waren wir in der Innsbrucker Stadtbibliothek mit der ersten Ausgabe unserer sechsteiligen Diskursreihe gegen:WART //// es geht bergab. Dabei widmeten wir uns dem Thema Kritik und begrüßten Markus Steinweg  und Lea Susemichel als Diskutant:innen, um „Kritik - in einer Gesellschaft am Abgrund“ zum Thema zu machen. 

Marcus Steinweg ist Philosoph und hat seit 2004 als Dozent oder Professor an der ZHdK Zürich, der UdK Berlin, der HbBK Hamburg und der Kunstakademie Karlsruhe unterrichtet. Er lebt in Berlin.

Zu seinen Publikationen zählen:

"Duras" (mit Rosemarie Trockel, Berlin: Merve 2008), "Politik des Subjekts“ (Zürich/Berlin: Diaphanes 2009), "Aporien der Liebe" (Berlin: Merve 2010), "Kunst und Philosophie / Art and Philosophy" (Köln: Walter König: 2012), "Philosophie der Überstürzung" (Berlin: Merve 2013), "Inkonsistenzen" (Berlin: Matthes & Seitz 2015), "Evidenzterror" (Berlin: Matthes & Seitz 2015), "Gramsci Theater" (Berlin: Merve 2016), "Splitter" (Berlin: Matthes & Seitz 2017), "Subjekt und Wahrheit" (Berlin: Matthes & Seitz 2018), "Proflexionen" (Berlin: Matthes & Seitz 2019), "Humor und Gnade" (mit Frank Witzel, Berlin: Matthes & Seitz 2019), "Metaphysik der Leere" (Berlin: Matthes & Seitz 2020), "Quantenphilosophie" (Berlin: Matthes & Seitz 2021). "Fetzen" (mit Marie Rotkopf, Berlin: Matthes & Seitz 2022). Die englischsprachige Fassung einiger seiner Bücher erscheint seit 2017 bei The MIT Press; Cambr./Mass./USA.

Marcus Steinweg

 

Den AR TALK konnten wir an diesem Abend nicht mehr mit Marcus Steinweg machen, jedoch hat er unsere Fragen in schriftlicher Form beantwortet und das können wir nun hier präsentieren:


1. Wie kommst du auf Themen, mit denen du dich beschäftigst, bzw. ab wann verdichtet sich ein Thema für dich, dass du es für dich bearbeitest?

Einige meiner letzten Bücher sind in Notizen geschrieben. Es sind Notizen zu allem Möglichen: Theater, Simone Weil, Sex, Schreiben, Ohnmacht, Marguerite Duras, Kino, Trauer, Narzissmus, Liebe, Diversitätskapitalismus, Politik, Franz Kafka, Glück etc. Es gibt kein Thema, das mich nicht interessiert. Allerdings nähere ich mich fast jedem Thema in einer Mischung aus Interesse und Ratlosigkeit. Ich versuche, zu verstehen. Zugleicht gibt es Konstanten = Motive, die sich durchhalten. Eine Konstante ist, was ich die Inkonsistenz unserer selbst wie der Welt nenne oder der Seinstotalität.

2. Was sind aktuelle Themen, mit denen du dich gegenwärtig auseinandersetzt?

Gerade habe ich mit einer Freundin ein Buch zu Kafka abgeschlossen (es erscheint im kommenden Herbst). Kafka ist der Autor, der jeden, der ihn liest, mit seiner Ratlosigkeit bedrängt. Er rückt einem auf den Leib, lässt einen schlecht schlafen. Dafür liebe ich ihn. Ein Autor, mit dem ich nicht fertig werde.

3. Gibt es noch etwas, dass du zu unserer gemeinsamen Veranstaltung festhalten oder anmerken möchtest?

Ich fürchte meine Gesprächspartnerin verärgert zu haben, was mir leid tut, sofern es zutrifft. Wir beide haben von Derrida wichtige Impulse empfangen, glaube ich. Ich unterscheide zwischen Dekonstruktion und Dekonstruktion light. Unter Diet Deconstruction verstehe ich das litaneihafte Zurückfallen ins Vorkritische, das wir heute an westlichen Universitäten erleben: ein narzisstisches Selbst- oder Fremdbezichtigungsritual, das an den Problemen der Menschen vorallem in nicht westlichen Gesellschaften konsequent vorbeisieht. Ich nenn das die Gute- Gewissens-Linke. Ich bin Heiner-Müller-Links, denn ich liebe
  
Gewissens-Linke. Ich bin Heiner-Müller-Links, denn ich liebe seinen Satz: „Was ich nicht ertrage, ist die Unschuld der Menschen.“ Zum Stichwort Kritik versäumte ich vielleicht zu sagen, dass es sie nur als Kritik der Kritik gibt = als Selbstimplikation des kritischen Subjekts in die kritische Dialektik, statt als Selbstviktimisierungritual, das sich als links missversteht.

4. Was ist dein Zugang zu politischer Arbeit?

Ich bin Philosoph, kein Politiker. Als Philosoph bin ich mir der Politizität des Denkens bewusst. Zugleich stimme ich Jean-Luc Nancy zu, der sagt: „Wenn alles politisch ist, ist nichts politisch.“ Die Allespolitisierung ist eigentlich, in ihrem Kern, Entpolitisierung.

5. Unser Motto/Slogan heißt Against Reality: Was bedeutet das für dich?

Es bedeutet, dass Realität der, um das Wort Lacans aufzunehmen, Herrensignifikant unserer Zeit ist. Wer sich auf Realität beruft, hat schon fast zu denken aufgehört. Realität ist immer autoritär. Man muss sie ernst nehmen, um ihren Autoritarismus zu brechen.


Hier geht es zur Veranstaltung vom 17.11.2022

contrapunkt.net/gestern/gegen-wart-kritik-in-einer-gesellschaft-am-abgrund

AR Talk bei Matthes & Seitz

matthes-seitz-berlin.de/artikel/kurzinterview-mit-marcus-steinweg

Kategorie: AR Talk