Tatort Stadion
9.12.2011 Abschluss der Ausstellung - Tatort Stadion
@Die Bäckerei:
Die Abschlussveranstaltung endetete, mit einem Vortrag von Gerd Dembowski und einer Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Fanszene, Fanarbeit, Polizei und Justi.
1. Vortrag und Diskussion von Gerd Dembowski: „Das Elend der Männlichkeiten“
Gerd Dembowski zeichnete nach, wie sich Konstruktionen von Männlichkeit, Homophobie und Sexismus im Fußball bis heute entwickelt haben. Hierzu ist es wichtig, Fußball auch als herrschaftsstabilsiierendes Element zu betrachten. Dazu riskiert Dembowski Blicke zu den Anfängen des Fußballs in Großbritannien, des „folk footballs“ auf den britischen Inseln und dem „calcio“ in Italien bis hin zu den alternativen Fan- und Ultrabewegungen, die sich seit den 1990er Jahren gegen Diskriminierung und diverse Auswüchse der Kommerzialisierung im Fußball stellen.
Seit Beckham und der deutschen WM-Elf 2006 um Schweini und Poldi gesellt sich eine scheinmodernisierte Form von Männlichkeit zu den anderen Formen, um das Produkt Fußball langfristig offen und zugänglich für alle Kundengruppen zu gestalten. Parallel können althergebrachte Formen von Maskulinität weiter existieren und an anderen Orten und Zeiten auftreten. Und wenn es gegen Diskriminierung geht, dann stehen Homophobie und Sexismus noch entschieden weiter unten auf der Rangliste. So tarnt und scheinmodernisiert sich Heteronormativität. Was wird dadurch besser? Wo sind Grenzen, aber auch Optionen für eine queer-feministische, evtl. gleichzeitig anarchistische Perspektive? Das könnte diskutiert werden.
Gerd Dembowski (Foto: Florian Lechner, florianlechner)
Gerd Dembowski aus Berlin und Cairo/Illinois ist als Sozialwissenschaftler seit 1995 im Bündnis Aktiver Fußballfans (BAFF) aktiv. U.a. wurde er bekannt durch die von ihm maßgeblich mitorganisierte BAFF-Wander-Ausstellung “Tatort Stadion” und die Wander-Ausstellung “BallArbeit. Szenen aus Fußball und Migration” der Projektgruppe Flutlicht. Dembowski war lange Sprecher für das Netzwerk Football Against Racism in Europe (FARE) und bis 2011 in der AG Fandialog des DFB und der DFL aktiv. Zuletzt veröffentlichte er mit Diethelm Blecking “Der Ball ist bunt. Fußball, Migration und die Vielfalt der Identitäten in Deutschland”.
gerd-dembowski
2. Fans und Repression – Fußball als Trainingsfeld für Überwachung und Kontrolle? - Podiumsdiskussionen mit Vertretern aus Fanszene, Fanarbeit, Polizei und Justiz
Immer häufiger beklagen Fußballfans eine zunehmende polizeiliche Repression innerhalb und außerhalb der Stadien. Ihre Kritik fokussiert gegenwärtig vor allem auf die Vergabepraxis von Stadionverboten, die nach Meinung der Anhänger willkürlich und intransparent erscheint. Gleichzeitig rechtfertigen die Sicherheitsbehörden die Notwendigkeit ihres Vorgehens durch die penible und aus Fan-Sicht teils dramatisierende Dokumentation jeglichen ‚Fehlverhaltens’ unter den Zuschauerinnen und Zuschauern. Besonders Großveranstaltungen wie die Fußball-Europameisterschaft der Männer 2008 in Österreich und der Schweiz wurden in der Vergangenheit genutzt, um neuartige, nicht selten auch über die Tragweite des Fußballs hinausreichende Sicherheitsmaßnahmen einzuführen, zu erproben und öffentlichkeitswirksam zu bewerben. Der Protest der Fans gegen repressive Maßnahmen birgt somit womöglich auch gesellschaftspolitische Relevanz über die eigene Subkultur hinaus.
Die Podiumsdiskussion will die Positionen von Fanszene, Bundesliga, Sozialarbeit, Anwaltschaft, Polizei und Justiz abwägen und gleichzeitig zum Dialog anregen. Einzelne Vertreter aus diesen Bereichen diskutieren am Podium aktuelle Fragestellungen zum Thema Fans und Repression und antworten auf die Fragen der Besucherinnen und Besucher.
Moderation: Michael Klingseis
Am Podium:
THOMAS GASSLER:
1985-1992 Spieler des FC Wacker Innsbruck. 1991 Mitbegründer der VK ’91 (Verrückte Köpfe). Seit 2010 Europäischer Fanbotschaftskoordinator für die EM 2012 bei Football Supporters Europe.
ARMIN WEBER:
Studium der Sozialen Arbeit. Seit 2008 Vorstandsmitglied der Faninitiative Innsbruck. Seit 2007 Vorstandsmitglied des Verein LISA – Liga für Integration Sport und Antirassismusarbeit. 2008-2011 Bewährungshilfe – Haftentlassenenhilfe. Ab 1.12.2011 Fanarbeit Innsbruck – Sozialarbeit mit Fußballfans.
MATHIAS KAPFERER:
Anwalt und seit Jahren „Berater“ der Faninitiative bzw. der VK (Verrückte Köpfe) in verschiedenen Bereichen. Vertritt laufend Fans in zahlreichen Verfahren. Ebenfalls bekannt durch seinen Beitrag während der EM 2008 auf der Uni Innsbruck zum Thema „Fußball und präventiver Sicherheitsstaat“, auch als Publikation über diese Veranstaltung nachzulesen.
MARTIN WEBERBERGER:
Seit 2007 Vorstandsmitglied von FC Wacker Innsbruck und seit 2006 Faninitiative Innsbruck – Verein zur Förderung der Fußball-Fankultur.
BERND BRUNNER:
Kontrollinspektor, Hauptsachbearbeiter beim Szenekundigen Dienst, Landespolizeikommando für Tirol – Organisations- und Einsatzabteilung (hat abgesagt).
PETER JEDELSKY:
Studium der Rechts- und Staatswissenschaft. Unter anderem Leiter des Büros Kriminalpolizeilicher Beratungsdienst & Jugendpolizei sowie im Bereich der Gewaltprävention beim Fußball. Weiters tätig als Arbeitsgruppenleiter für die Vorbereitung der Fußball-Europameisterschaft 2008. Seit 2002 Leiter der „Fanpolizei Wien“. Mitglied im für Stadionsicherheit zuständigen Senat 3 der Bundesliga.
Zum Nachören:
freirad/abschluss-tatort-stadion
Videodokumentation über Tatort Stadion in Innsbruck: